Innenstadt im Wandel
Die Grazer Innenstadt ist im Wandel. Alte Geschäfte schließen, neue eröffnen. Der Leerstand nimmt leicht zu, ist aber immer noch deutlich geringer als in vielen anderen Städten und Einkaufszentren. Anstelle von Einzelhändlern findet man immer mehr Selbstbedienungs-Gastronomie und Automatenshops. Parkplätze an der Oberfläche werden zu Gastgärten, Grünflächen und konsumfreie Zonen umgewandelt.
Alteingesessene Wirtschaftstreibende beklagen sich über die Veränderungen. Medien vermitteln den Eindruck, die Innenstadt sei tot. Dass prominente Ketten ihre Filialen schließen, macht das Bild nicht besser – wenngleich die Eigentümer versichern, dass es genügend Interessenten für ihre Flächen gibt und die Höhe der Mieten kein Problem sei.
Die Besucher:innen-Frequenz ging 2024 leicht zurück, wobei das Minus vor allem bei den Jungen (unter 18) groß waren (-50%), während die kaufkräftigeren älteren Zielgruppen (über 30) sogar leicht zulegen konnten. Nachdem die durchschnittliche Aufenthaltsdauer jedoch stieg, hielten sich die Menschen 2024 unterm Strich 28,5 Mio. Stunden in der Innenstadt auf. Zum Vergleich: 2019 waren es 26,6 Mio. Stunden. Oder anders gesagt: 2024 war in der Innenstadt mehr los als vor der Pandemie.
Ist damit alles gut? Nein! Denn Frequenz bedeutet nicht automatisch Umsatz; und Umsatz nicht automatisch Gewinn. Ein positives Saldo ist aber Voraussetzung für wirtschaftliche Stabilität. Dieses zu erwirtschaften, wird zunehmend schwieriger, haben Unternehmen der Innenstadt in den letzten Jahren durch den Online-Handel und die Einkaufszentren am Stadtrand (Graz hat die höchste Dichte Mitteleuropas!) doch mächtige Konkurrenz bekommen.
Fokus auf Potenziale
Dabei sind die kleinteiligen Strukturen der Innenstadt geradezu prädestiniert für eine nachhaltige Art des Wirtschaftens. Viele Geschäfte bieten hochwertige, regionale Produkte an, die man weder online noch in Einkaufszentren so leicht findet. Auch in punkto persönliche Beratung sind kleine Geschäfte oft besser aufgestellt als große Konzerne mit Tausenden Mitarbeiter:innen.
Doch statt sich auf diese Potenziale zu konzentrieren, wurde lange Zeit nur darüber diskutiert, wie man die Frequenz in der Innenstadt noch weiter erhöhen könnte. Die Grundidee war, dass man wieder mehr von den „richtigen“, d.h. kaufkräftigen Menschen in die Innenstadt bringen müsse. Und das ginge nur über den Ausbau von Parkplätzen. Denn wenn man denen nur genug Parkplätze zur Verfügung stellen würde, so der Tenor, würden sie schon wieder für höhere Umsätze sorgen.
Tatsächlich zeigt die Forschung: Die Erreichbarkeit ist wichtig – das gilt aber nicht nur für Autos, sondern für alle Verkehrsmittel. Menschen, die mit dem Auto kommen, geben zwar pro Einkauf mehr aus; wer geht, radelt oder die Öffis nutzt, kommt aber dafür öfter – und sorgt somit unterm Strich dadurch für größere Umsätze als Autofahrer:innen.
Die Innenstadt ist aufgrund ihrer Lage prädestiniert für eine perfekte Erreichbarkeit zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. In dieser Hinsicht wurde in den letzten Jahrzehnten leider zu wenig getan. Erst jetzt wurden mit der Errichtung der Neutor-Linie (Innenstadt-Entlastung), dem Ausbau der Radwege rund ums Zentrum und der Ausweitung der Fußgänger-/Begegnungszone Akzente gesetzt, um die Erreichbarkeit tatsächlich zu verbessern.
Professionelles Citymanagement
Viel wichtiger als die Verkehrsmaßnahmen ist für die Innenstadt jedoch die Wirtschaftspolitik, denn im Gegensatz zu Einkaufszentren hat die Innenstadt keinen Eigentümer, der sich um eine langfristige Strategie, ein professionelles Auftreten und ein gutes Management der einzelnen Betriebe kümmert. Deshalb steht hier die Stadt in der Pflicht: Sie muss dafür sorgen, dass die kleinteilige Innenstadt-Wirtschaft Bedingungen vorfindet, die ein nachhaltiges Wirtschaften erlauben.
Eine zentrale Rolle spielt dabei das Citymanagement: Dieses soll sich um Strategie, Auftreten und Management der Innenstadt kümmern. Im Gegensatz zu Einkaufszentren sind dabei aber nicht nur die Bedürfnisse der Wirtschaftstreibenden und der Konsument:innen zu berücksichtigen, sondern die Bedürfnisse all jener, die in der Innenstadt wohnen, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen. Unterm Strich handelt es sich beim Citymangement somit um eine hochkomplexe Tätigkeiten mit zahlreichen Anforderungen und Schnittstellen.
Das bisherige Citymanagement konnte diese Aufgaben immer nur zu einem Teil erfüllen. Zuletzt war dieses bei der Holding Graz angesiedelt, dort lag der Fokus auf Veranstaltungen wie den Adventmärkten oder dem Graz-Gutschein. Der Verein „Echt Graz“ übernahm die Vertretung vieler (nicht aller) Innenstadt-Geschäfte nach außen. Die Wirtschaftsabteilung bemühte sich um die Vermittlung von Leerständen. Doch eine Strategie, ein einheitliches Auftreten oder ein übergreifendes Management fehlten.
Umso überraschender war es für alle, als Wirtschaftsstadtrat Günter Riegler (ÖVP) medial plötzlich die Schaffung eines eigenen „Referats für Citymanagement“ ankündigte – und gleich auch die Ausschreibung einer entsprechenden Stelle für die Leitung dieses Referats. Gespräche mit den wesentlichsten Akteur:innen zeigten, dass vorab niemand etwas von diesem Schritt wusste. Besonders irritierend war jedoch die Tatsache, dass hier eine Stelle ausgeschrieben werden sollte, bevor die Aufgabenprofil des zukünftigen Referats festgelegt wurde.
Wie oben beschrieben, ist Citymanagement eine hochkomplexe Tätigkeit, noch anspruchsvoller als das Management eines Einkaufszentrums. Der Weg, ein eigenes Referat dafür zu gründen, mag sinnvoll sein – eine Stellenausschreibung zu machen, bevor die Aufgaben dieses Referats – im Zusammenspiel mit allen anderen Stakeholdern – geklärt sind, ist es mit Sicherheit nicht.
Daraus ergeben sich auch keine Verzögerungen – im Gegenteil: Wenn die Rolle des neuen Referats schon vor der Ausschreibung klar ist, kann dieses vom ersten Tag an seine Aufgaben erfüllen. Andersherum würde sich die Rolle des Referats aus dem Profil des/der neuen Leiter:in heraus ergeben. Dann würde wohl der Schwanz mit dem Hund wedeln.
Fazit
Insgesamt hat die Grazer Innenstadt hat ein riesiges Potenzial als nachhaltiger Lebens- und Wirtschaftsraum. Verschiedene Politikfelder müssen ihren Teil dazu beitragen, dass dieses Potenzial auch tatsächlich genutzt wird. Ein professionelles Citymanagement ist ein sehr wesentlicher Teil davon und essenziell für eine positive Weiterentwicklung der Innenstadt-Wirtschaft. Jetzt besteht die Möglichkeit, dieses langfristig auf stabile Beine zu stellen. Das wird gelingen, wenn zuerst – in Abstimmung mit den relevanten Stakeholdern – die Rolle des künftigen Referats für Citymangement geklärt wird, und dann erst die Stelle für dessen Leitung ausgeschrieben wird.