Direkte Demokratie? Ja, aber richtig!

Die direkte Demokratie soll die repräsentative Demokratie ergänzen. Grundsätzlich sind die gewählten Repräsentant:innen dafür zuständig, Beschlüsse im Sinne der Allgemeinheit zu treffen. Wenn das Parlament, der Landtag oder der Gemeinderat allerdings ein wichtiges Thema nicht behandelt oder einen Beschluss gegen den Willen vieler Menschen fasst, sollte es möglich sein, dass die Bevölkerung als Souverän eingreift und dafür sorgt, dass die Beschlüsse im Sinne der Allgemeinheit getroffen werden. Das können zunächst Gespräche, offene Briefe, Petitionen oder Kundgebungen sein, in weiterer Folge auch Volksbegehren, Volksbefragungen oder – wenn die repräsentative Ebene nicht adäquat reagiert – auch verbindliche Volksabstimmungen.

Wichtig dabei ist, dass der Impuls von der Bevölkerung selbst ausgeht – und nicht von der repräsentativen Ebene. „Top-Down-Volksbefragungen“ werden von Parteien teils missbraucht, um Stimmungen zu ihren Gunsten zu erzeugen. Dadurch wird das Anliegen zum Spielball der Parteipolitik. Die Instrumente der direkten Demokratie sollten daher in den Händen der Bevölkerung liegen: Sie sollten sie nutzen können, indem sie ausreichend Unterschriften für ihr Anliegen sammeln.

Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Fragestellung gelegt werden. Suggestivfragen wie „Soll zum Schutz der Kärntner Natur … die Errichtung weiterer Windkraftanlagen .. verboten werden?“ sind absolut kontraproduktiv. Berücksichtigt man die Auswirkungen des Klimawandels, könnte man genauso gut fragen: „Soll zum Schutz der Kärntner Natur … die Errichtung weiterer Windkraftanlagen .. ERLEICHTERT werden?“ Auch das wäre suggestiv, denn für den Schutz der Natur sind so oder so die meisten Menschen. Dadurch wird das Ergebnis verfälscht, während die eigentlich Frage, wie die Menschen in Kärnten mit der Errichtung weiterer Windkraftanlagen umgehen möchten, in den Hintergrund gerät.

Gute Fragen haben auch nicht nur zwei mögliche Antworten. Gerade bei komplexen Fragestellungen gibt es oft nicht nur zwei, sondern viele Varianten. Aus Fragen im Sinne von „genau das oder weiter wie bisher“ ergibt sich häufig eine Polarisierung, die der Gesellschaft mehr schadet als nutzt (siehe Brexit). Tatsächlich gibt es jedoch, um beim Beispiel der Windräder zu bleiben, ein breites Spektrum von Optionen – das komplette Verbot am einen Ende, die flächendeckende Errichtung ohne Auflage am anderen. Die Frage ist, wo das Optiumum liegt, das in der Bevölkerung die größtmögliche Akzeptanz findet.

Direkte Demokratie sollte daher immer als mehrstufiger Prozess verstanden werden. Zunächst sollte es darum gehen, ob eine bestimmte Fragestellung behandelt wird. Wenn die Bevölkerung dafür genug Unterschriften sammelt, sollte man – ebenfalls mit einer ausreichenden Anzahl an Unterschriften – Antwort-Vorschläge für diese Frage einreichen können. Und erst darüber sollte dann abgestimmt werden.

Und auch bei der Abstimmung sollte es nicht nur um JA oder NEIN gehen. Um sinnvolle Ergebnisse zu erhalten, reicht es nicht, wenn die Menschen ihre „Lieblingsvariante“ ankreuzen. Stattdessen sollten sie die Möglichkeit haben, bei jeder Antwort „dafür“, „eher dafür“, „egal“, „eher dagegen“, „dagegen“ anzukreuzen. Daraus ergibt sich nicht nur ein differenziertes Stimmungsbild, sondern auch eine klare Entscheidung der Bevölkerung: Die Variante mit dem geringsten Widerstand (d.h. am wenigsten „eher dagegen“ und „dagegen“) gewinnt.

Wird die direkte Demokratie in dieser Form organisiert, stellt sich eine wertvolle Ergänzung zur repräsentativen Demokratie darf. Wird sie hingegen von Parteien instrumentalisiert, um damit Stimmungen zu erzeugen, ist sie kontraproduktiv.